Borderline (aus Sicht einer Betroffenen!)

 "Sie lieben diejenigen ohne Maß, die sie ohne Grund hassen werden."


Eine eindeutige Definition für Borderline gibt es für mich nicht. Dafür ist diese Krankheit einfach zu umfangreich. Sie hat einen gemeinsamen Stamm, doch von ihm gehen viele Äste in verschiedene Richtungen ab.
Borderliner haben gemeinsam, dass sie den Drang und den Zwang verspüren, sich selbst und Andere zu verletzen. Und damit ist nicht zwangsläufig körperliche Schädigung durch schlagen, ritzen,... gemeint, nein, die Seele zu verletzen steht hierbei an erster Stelle.

"Lieb mich, aber geh weg."

Einen treffenderen Spruch habe ich bis heute nicht gelesen, er stimmt voll und ganz, für mich, mit der Gedanken- und Gefühlswelt eines Borderliners überein. Liebe und Hass sind die wichtigsten Gefühle eines Betroffenen. Sie sind stark und machen Angst und werden als eine Art Gefahr wahrgenommen. Eine Gefahr, die es gilt auszuschalten. Dabei treten sie plötzlich aus dem Nichts auf und überfluten die betroffene Person und diese ist ihnen schutzlos ausgeliefert. Borderliner sind mit diesen starken Gefühlen zu 99% überfordert und versuchen durch sogenanntes "dysfunktionales Verhalten" das Gefühl unter Kontrolle zu halten. Dieses Verhalten kann in Richtung Selbstverletzung gehen oder nach außen getragen werden und sich gegen Personen richten, die einem nahe stehen. Das SelbstVerletzendeVerhalten (SVV) ist jedoch bei fast allen Borderlinern vor, handen. Es kann als körperliche Selbstverletzung auftreten, in deren Fall durch Ritzen, Schlagen, Verbrennen, ... die innere Anspannung vermindert wird oder auch eine Art Selbstbestrafung durchgeführt wird. Es gibt auch indirekte Formen der Selbstverletzung, wie zum Beispiel Essstörungen oder exzessive Verhaltensweisen.
Die Selbstverletzung dient aber in erster Linie, so denke ich persönlich, zur Gedanken- und Gefühlssortierung, zur Selbstbestrafung und zum Erlangen von Aufmerksamkeit, da Borderliner nicht wissen, wie sie anderen Menschen klarmachen sollen, dass sie Probleme haben, mit denen sie nicht alleine fertig werden. Es fehlt ihnen die Anwendung der Fähigkeit, sich auf normalem Wege Hilfe zu holen, da sie in Momenten der höchsten Anspannung, jeglichen Bezug zur Realität und zu ihren Fähigkeiten verlieren.

Das Schwarz-Weiß Denken ist bei Borderlinern besonders stark ausgeprägt. Entweder etwas ist gut (weiß) oder es ist schlecht (schwarz). Es gibt nichts in der Mitte, wie zum Beispiel "ganz ok", "annehmbar", "erträglich",...! Beispiele dafür sind die zwei Extremen Gut-Böse, Leben-Sterben, Schwarz-weiß, Liebe-Hass.

"Ich hasse dich, verlass" mich nicht."     (Jerold J. Kreisman, Hal Straus)

Beziehungen eines Borderliners zu seinen Mitmenschen gestaltet sich oft als schwierig und extrem. Betroffene haben meist Angst, alleine gelassen zu werden, doch die Nähe zu einer Person können sie schwer ertragen. So passiert es sehr oft, dass sie am Ende ganz alleine da stehen, da ihre Mitmenschen nicht mit dieser Hass-Liebe umgehen können und dieses AlleineSein zwingt Borderliner dann, noch mehr über sich nachzudenken und das ist letzendlich am schlimmsten. Sie fühlen sich innerlich leer und alleingelassen und können mit diesem Druck nicht umgehen. In den meisten Fällen führt dies dann zu SVV oder im schlimmsten Falle kann es auch Suizid bedeuten.

(Auf keinen Fall sollte SelbstVerletzendesVerhalten (SVV) mit dem Borderline Syndrom gleichgesetzt werden, Borderline wird in den meisten Fällen durch SVV begleitet!)

Die instabilen Beziehungen von Borderlinern zu Mitmenschen lässt ein normales Leben in der Gesellschaft nur bedingt zu.

"Kein Mensch kann alleine wachsen und Fuß fassen"     (Leonie)

Wer sich allerdings mit dieser Krankheit beschäftigt, wie zb. Angehörige und Freunde eines Betroffenen, kann lernen, das Verhalten zu verstehen und damit umzugehen. Hat ein Betroffener das Glück ein intaktes Umfeld zu besitzen, fällt es ihm leichter, durch Therapien einen Bezug zu diesen Menschen herzustellen und zu lernen, mit der Krankheit zu leben. Geschieht dies nicht, ist in meinen Augen ein wertschätzendes Leben in der Gesellschaft stark beeinträchtigt.

Das Selbstbildnis in der Borderline-Persönlichkeit ist von Hass geprägt. Man sieht sich verzerrt und abwertend. (Hierbei ist das Selbstbild in der Magersucht zb. zu differenzieren, wo das Augenmerk auf den Körper und die Körperformen gerichtet ist) Im BorderlineSyndrom konzentriert sich das Selbstbildnis zum größten Teil auf den Charakter, eigene Handlungen und Verhaltensweisen. Das Aussehen kann auch eine Rolle spielen, ist jedoch nur zweitrangig zu betrachten. Meist schämen sich Betroffene für selbst herbeigeführte Narben an verschiedensten Körperregionen (Arme, Beine, Bauch,...) und hassen sich aufgrund dieser "Verstümmelung" nur noch mehr. Es ist in diesem Fall ein ewiger Kreislauf!

Ein weiteres wichtiges Merkmal bei Borderline Erkrankten ist ihre Impulsivität. (Nicht zu verwechseln mit Reaktionen von Kindern bei Auseinandersetzungen mit Anderen) Die Impulsivität bei Borderlinern kann sich auf den Betroffenen alleine konzentrieren (vermehrtes Geldausgeben, Sexualität,...) oder im Umgang mit Anderen auftreten. Im Umgang mit Anderen ist sie durch Wutausbrüche, schnelle Streitigkeiten, heftige Reaktionen, starke Emotionen und vieles mehr, gekennzeichnet. Diese "Störung" macht einen Umgang mit Anderen ebenfalls oft schwierig!

Nicht zu vergessen sind dissoziative Momente eines Borderliners. Dissoziationen reißen Betroffene aus der normalen Welt raus und versetzen sie in eine Art "Trance". Sie unterbricht die integrative Funktion des Bewusstseins, also des Gedächtnisses, in der Umwelt! Dysfunktionale Verhaltensweisen "dienen" den Betroffenen in diesem Fall zum Zurückkehren und Zurückfinden ihres Bewusstseins, aus Angst, in diesem Zustand zu bleiben.

Leider sind diese dysfunktionale Verhaltensweisen am schnellsten und am wirksamsten.

 

Durch Therapien, wie zb. das DBT-Programm, können Borderliner lernen, mit ihren Gefühlen und Empfindungen besser umzugehen und einen "Ersatz" zu dysfunktionalem Verhalten finden. Die sogenannten Skills, sollen als Alternative dienen und sind bei richtiger und regelmäßiger Anwendung ein durchaus hilfreicher Ersatz!

 

© Leonie

 

Nachwort: Ich möchte mich herzlich bei den Lesern dieses Artikels bedanken. Ich habe lange nach dem richtigen Ansatz dafür gesucht, da Borderline ein durchaus komplexeres Thema für mich ist wie die Magersucht. Natürlich sind hier weit nicht alle Sachen der BorderlineStörung aufgeführt, doch ich habe mich entschieden, nur die Themen anzusprechen, die grundlegend sind und die mich selbst betreffen. Alles Andere würde denke ich zu weit führen und es gibt durchaus genügend andere Artikel von Fachleuten zum Thema Borderline. Doch aus der Sicht einer Betroffenen, habe ich mir gedacht, ist es auch mal ganz interessant.